So kommst du bei der Arbeit in den Flow
Apr 20, 2022
In der positiven Psychologie ist der „Flow“ jener Zustand, in dem man ganz in der Aktivität aufgeht, die man gerade ausübt. Der Flow ist keine Technik, sondern ein mentaler Zustand tiefer Konzentration, in dem uns alles scheinbar, wie von selbst von der Hand geht. Das klingt zwar, als wäre ein Flow Erlebnis zu haben reiner Zufall, tatsächlich kannst du aber eine Menge dazu beitragen. Was genau schauen wir uns in diesem Blogartikel näher an.
Inhaltsverzeichnis
Das Phänomen des Flow Erlebnis
Wir alle haben schon einmal von Menschen gehört, die beim Sport oder der Ausübung eines Hobbies in den Flow Zustand kommen und das Gefühl haben, für immer weiterlaufen, schwimmen, usw. zu können. Der Glücksforscher Mihály Csíkszentmihályi hat diesen Zustand untersucht und „Flow“ genannt. Heute weiß man, in diesen Zustand kann jeder Mensch mit jeder Art von Tätigkeit kommen. Wesentlich ist dabei nur, dass die Aufgabe klar ist und die Person nicht unterfordert oder überfordert.
Der Psychologe Siegbert A. Warwitz beschreibt als Urbild des Flow-Zustandes das spielende Kind, das sich im Spiel mit einer Rolle identifiziert. Es spielt die Figur nicht nur, es ist die Figur. Abgleitet von dem englischen Wort für „fließen“ ist man im Flow in einer Art Tätigkeitsrausch. Erwachsene erleben diesen Zustand meist nur, wenn alle Ablenkungen und Störelemente beseitigt sind.
Das schwierige dabei ist, dass die Motivation aus der Tätigkeit selbst kommt und nicht externe Antreiber wie Geld oder Lob diesen Zustand auslösen. Wir belohnen uns im Flow praktisch selbst. Eine entscheidende Funktion haben dabei das Streben nach persönlichem Wachstum und Weiterentwicklung. Das Erleben von Erfolgen ist für den Flow eine wichtige Bedingung.
Dieser mentale Zustand lässt sich weder erzwingen noch wirklich planen. Wir können allerdings einige wichtige Vorkehrungen treffen und durch Übung die besten Voraussetzungen für den Flow schaffen.
Der Flow ist ein Moment geistiger Klarheit
Wer sich im „Flow“ befindet spürt die Herausforderung der Tätigkeit, fühlt sich der Aufgabe aber letztlich gewachsen. Wir kennen unsere Ziele und die Bedeutung der Aufgabe im Rahmen der Zielerreichung. Wir sind voll auf unser Tun konzentriert und lassen uns nicht ablenken. Die Aufgabe ist alles andere als langweilig, sondern motiviert uns immer weiterzumachen. Wir haben volle Kontrolle über unsere Aktivität, spüren weder Hunger noch Durst und haben das Gefühl, die Zeit vergeht wie im Flug. Der „Flow“ ist demnach ein Glückzustand oder zumindest ein Mix aus positiven Emotionen, Sinneseindrücken und Gemütszuständen. Doch wie lässt sich dieser Zustand bewusst herbeiführen?
James Clear nimmt in seinem Buch Atomic Habits über den Aufbau von Gewohnheiten ein Beispiel aus dem Sport. Trittst du im Tennis gegen einen 5-Jährigen an, wirst du dich schnell langweilen. Spielst du aber gegen einen Tennis Profi, werden dir die Bälle nur so um die Ohren fliegen. In beiden Fällen entwickelst du dich nicht weiter und wirst über kurz oder lang die Motivation verlieren. Spielst jedoch mit eine:n Spieler:in auf gleichem Niveau, macht das Spiel Spaß und du verbesserst dich.
Im Flow herrscht leichte Überforderung
Ein Flow Erlebnis entsteht aus der Motivation ein Ziel zu erreichen und dem Gefühl die Kontrolle zu haben. Langweilige oder unterfordernde Aufgaben spornen uns nicht an, zu schwierige Aufgaben entmutigen uns. Die ideale Aufgabe bewegt sich im Bereich zwischen Überforderung und Unterforderung, mit einer leichten Tendenz zur Überforderung. Das heißt, wir müssen dafür die Komfortzone verlassen, fühlen uns aber der Aufgabe gewachsen. Der Erfolg jeder geschafften Aufgabe macht uns Stolz und lässt und dranbleiben.
Dieses Phänomen nennt sich Goldlöckchen Regel und lässt sich auf alle Lebensbereiche anwenden.
Mit der Goldlöckchen Regel kommst du in den Flow
Den Namen hat dieses Prinzip aus der Kindergeschichte „Goldlöckchen und die 3 Bären“, in der Goldlöckchen vor drei Schüsseln steht und den Brei den Brei der Bären kostet. Der Brei in der ersten Schüssel ist zu heiß, der zweite ist zu kalt und der dritte Brei ist genau richtig, um ihn zu genießen. So testet sich auch die Stühle und Betten.
Diese Analogie hat sich durchsetzt, um das richtige Maß einer Aufgabe zu definieren. Motivation setzt sich aus den aktuellen Fähigkeiten einer Person und der Begeisterung für eine Aufgabe zusammen. Befindest du dich in der goldenen Mitte zwischen Unter- und Überforderung und die Arbeit ist anspruchsvoll, aber machbar, kommst du sehr wahrscheinlich in den Zustand maximaler Effizienz.
Das Goldlöckchen-Szenario wird laut Wikipedia auch in der Welt der Wirtschaft angewandt und „beschreibt die perfekte Mitte. Das Wachstum der Weltwirtschaft ist weder zu hoch noch zu niedrig. Es liegt leicht oberhalb des langjährigen Durchschnitts. Auch die Inflation ist gering.“
Ich finde die Goldlöckchen Zone lässt sich auch gut mit dem Lampenfieber vor einem Auftritt oder einem großen Spiel vergleichen. Spürst du diese Anspannung nicht, bist du vermutlich unterfordert oder verspürst wenig Begeisterung für die Tätigkeit. Ist dir aber nur schlecht und du hörst dein Blut in Ohren rauschen, ist die Herausforderung vielleicht zu groß. Merkst du aber dieses angenehme Kribbeln, die Aufregung und kannst es kaum erwarten rauszugehen und zu zeigen, was du kannst – dann bist du im Flow.
Unser Gehirn sucht Herausforderungen
Stress oder Angst sind nicht per se schlechte Begleiter. Das richtige Maß an Anspannung schärft deine Sinne und lassen dich deine beste Leistung bringen. Dein Körper ist bereit und aufmerksam.
Im Flow vergessen wir nicht zu Zeit und Raum, auch Durst und ein Hungergefühl werden unterdrückt. Wenn du mit dieser Form des positiven Stresses arbeitest, solltest du also unbedingt auf genügend Auszeiten und auf Regeneration für deinen Körper achten.
Davon angesehen ist die Begeisterung, die mit dem Verlassen der Komfortzone und Entdecken neuer Erfahrungen einhergeht, die einfachste Form zu Lernen und sich weiterzuentwickeln.
Alles, was du dafür tun musst, ist deine Aufgaben in dem Bereich zwischen Unter- und Überforderung anzusiedeln und Ablenkungen zu reduzieren.
Den Flow im Alltag finden
Konzentriere dich bei deiner Arbeit stets auf ein Ergebnis. Ich fokussiere im Moment zum Beispiel nur auf das Schreiben dieses Blogartikels. E-Mail-Postfach und andere Programme sind geschlossen, im Hintergrund läuft leise Instrumental Musik. So kann ich mich voll konzentrieren. Jetzt, wo ich darüber nachdenke, muss ich bereits ziemlich dringend auf die Toilette und der Kaffee steht noch unberührt und kalt neben mir. Kurz widme ich mich nun meinen körperlichen Bedürfnissen, bleibe dabei aber gedanklich hier bei diesem Artikel. Bleibe ich im Flow kann ich eine Blogartikel in etwa 90 Minuten schreiben.
Vielen fällt es schwer sich auf nur eine Sache zu kontrieren, aber wer nebenbei sein Facebook Profil checkt, hat keine Chance in den Flow zu kommen und braucht ewig für eine Aufgaben. In den Flow kommst du am ehesten, wenn du deine Arbeit nach der Singletasking Methode angehst. Man könnte sogar so weit gehen, dass jede unserer Aufgaben die Vorbereitung für die nächste ist und durch die Summe der aneinander gereihten Aufgaben arbeitest du auf dein Ziel hin. Im Flow ist dein Handeln eine Aneinanderkettung logischer Schritte und du (er)kennst deine nächsten Schritte ganz genau.
Die richtige Aufgabe finden
Je besser deine Aufgaben unterteilt sind, desto eher erledigst du sie erfolgreich und erzielst Fortschritte. Es ist besser klein anzufangen und die Dynamik der Belohnung für die Entwicklung zu nutzen. Dafür kannst du mit der Melonen Methode Aufgaben in kleine Handlungsschritte zerlegen.
Wichtig ist, dass du bei jeder Aufgabe, jedem Schritt weißt was zu tun ist. Die Aufgabe darf ruhig am Rande deiner aktuellen Fähigkeiten liegen, darf dich aber nicht vollkommen überfordern. Wenn du auf der anderen Seite jetzt schon keine Lust verspürst, wird es ebenso schwierig. Langeweile ist eines der größten Hindernisse in Produktivität. Du läufst in beiden Fällen Gefahr zu prokrastinieren und nichts geht weiter. Diesen Frust merkt sich dein Gehirn erst recht und legt dir immer mehr Steine in den Weg.
Der Flow besteht aus kleinen Erfolgen und richtigen Routinen
Unser Gehirn reagiert sehr stark auf Belohnungen. Sobald irgendeine Tätigkeit nicht den erhofften Erfolg bringt, suchen wir unterbewusst nach Alternativen und das Verhalten wird nicht zur Routine. Nur, wenn wir unserem Gehirn eine Handlung „schmackhaft“ machen, denken wir automatisch daran und die Wiederholung fällt leicht.
Kleine, schon bewährte Handlungen lassen sich durch Wiederholung zu einer Routine ausbauen. So werden wiederkehrende Aufgaben müheloser erledigt und es werden geistige Kapazitäten frei, die du direkt in die Arbeit an neuen, noch ungewohnten Aufgaben stecken kannst.
Das Geheimnis von erfolgreichen Sportler:innen ist, die Langeweile des täglichen Trainings zu ertragen, der Versuchung der ständigen Veränderung zu widerstehen und diesen Drang durch kleine Herausforderungen zu kompensieren. So bewegen sie sich stetig auf ihr Ziel zu.
Diese Karotte kannst du auch dir in jedem Lebensbereich vor die Nase hängen und am Rande deiner aktuellen Fähigkeiten dieses Kribbeln ausgelöst von dem greifbaren Erfolg verspüren.
Bleibe im Hier und Jetzt, um in den Flow zu kommen
Es ist wichtig, sich vollkommen auf den Moment zu konzentrieren. Nicht nur akute Ablenkungen stören den Flow. Es ist ebenso wichtig nicht über die nächste Besprechung nachzudenken oder die nächste Aufgabe durchzudenken. Es ist menschlich, auch Gespräche noch einmal durchzudenken und uns mit vergangenen Erfolgen oder Niederlagen zu beschäftigen, doch dadurch verpassen wir den gegenwärtigen Augenblick. Wir können die Vergangenheit nicht ändern und die Zukunft nicht kontrollieren. Wir können uns nur von Moment zu Moment, von Aufgabe zu Aufgabe hanteln. Im Buddhismus wird die Fähigkeit, den Augenblick bewusst zu erleben, Achtsamkeit genannt. Ein paar Übungen zum achtsamen Planen haben wir schon für dich zusammengetragen.
Quelle
Der Pädagoge Kurt Hahn umschrieb Anfang des 20. Jahrhunderts mit dem Begriff der „schöpferischen Leidenschaft“ das erste Mal den Flow Zustand. Aber erst der Glücksforscher Mihály Csíkszentmihályi prägte den Begriff „Flow“ für einen Zustand im Tätigkeitsrausch oder auch der „Schaffenslust“. Der Psychologe Siegbert A. Warwitz erkannte das Urbild dieses Zustands in einem spielenden Kind.
James Clear in seinem Buch „Atomic Habits“ und Cal Newport in seinem Buch „Deep Work“ haben sich intensiv mit der Goldlöckchen Regel beschäftigt. Eine schöne Zusammenfassung findest du auch in diesem Artikel auf level-up.at.
Weiterführende Methoden: